Islam und Menschenrechte

Veröffentlicht: 22. April 2013 in Islaminfos

Fundamentalismus

Dass der Koran durchaus lobenswerte moralische Prinzipen vertritt, wurde bereits im Rahmen des religiösen Ansatzes dargelegt. Daneben enthält er aber auch Aussagen und Anweisungen an die Gläubigen, die nicht den Menschenrechten entsprechen und nicht akzeptiert werden können. Im Folgenden sind einige dieser Koranstellen zitiert. Da der Koran – als Ausdruck des göttlichen Willens – auch oberste Richtschnur für die innerweltlichen islamischen Gesetze ist, haben diese für Muslime einen enorm verpflichtenden Charakter.

Intoleranz gegenüber Heiden (Polytheisten)

„Es steht den Polytheisten nicht zu, in den Moscheen Gottes zu verweilen und Dienst zu tun, wo sie gegen sich selbst bezeugen, ungläubig zu sein. Deren Werke sind wertlos, und sie werden im Feuer ewig weilen.“ (KORAN, Sure 9,17)

„Für diejenigen, die ungläubig sind, ist das Feuer der Hölle bestimmt. Darin wird mit ihnen kein Ende gemacht, so daß sie sterben, und es wird ihnen auch seine Pein nicht erleichtert. So vergelten Wir jedem, der sehr ungläubig ist.“ (KORAN, Sure 35,36)

„… Für diejenigen, die ungläubig sind, sind Gewänder aus Feuer zugeschnitten; über ihre Köpfe wird heißes Wasser gegossen. 20 Dadurch wird zum Schmelzen gebracht, was sie in ihrem Bauch haben, und ebenso die Haut. 21 Und für sie sind Keulen aus Eisen bestimmt. 22 Sooft sie vor Kummer aus ihm herauskommen wollen, werden sie zu ihm zurückgebracht, und (es wird zu ihnen gesagt): »Kostet die Pein des Höllenbrandes.«“ (KORAN, Sure 22,19)

„Wenn ihr auf die, die ungläubig sind, trefft, dann schlagt (ihnen) auf die Nacken. Wenn ihr sie schließlich schwer niedergekämpft habt, dann schnürt (ihnen) die Fesseln fest*. Danach gilt es, sie aus Gnade oder gegen Lösegeld zu entlassen.“ (KORAN, Sure 47,4)

*In anderen Übersetzungen heißt es: „… schlagt ihnen den Kopf ab und fesselt nach dem Kampf die Übrigen.“

Intoleranz gegenüber Juden und Christen

„O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden. Sie sind untereinander Freunde. Wer von euch sie zu Freunden nimmt, gehört zu ihnen. Gott leitet ungerechte Leute gewiß nicht recht.“ (KORAN, Sure 5,51)

„Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und nicht an den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der Religion der Wahrheit angehören – von denen, denen das Buch zugekommen ist, bis sie von dem, was ihre Hand besitzt, Tribut entrichten als Erniedrigte. 30 Die Juden sagen: »Uzayr ist Gottes Sohn.« Und die Christen sagen: »Christus ist Gottes Sohn.« Das ist ihre Rede aus ihrem eigenen Munde. Damit reden sie wie die, die vorher ungläubig waren. Gott bekämpfe sie! Wie leicht lassen sie sich doch abwenden! 31 Sie nahmen sich ihre Gelehrten und ihre Mönche zu Herren neben Gott, sowie auch Christus, den Sohn Marias. Dabei wurde ihnen doch nur befohlen, einem einzigen Gott zu dienen. Es gibt keinen Gott außer Ihm.“ (KORAN, Sure 9,29-31)

Intoleranz gegenüber Apostaten (abtrünnige Muslime)

„Denen, die glauben und dann ungläubig werden, dann wieder glauben und dann wieder ungläubig werden und dann im Unglauben zunehmen, denen wird Gott unmöglich vergeben, und Er wird sie unmöglich einen rechten Weg führen.“ (KORAN, Sure 4,137)

Aufruf zu Mord und Gewaltsamkeit

„Und kämpft auf dem Weg Gottes gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen, und begeht keine Übertretungen. Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen. 191 Und tötet sie, wo immer ihr sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben. Denn Verführen ist schlimmer als Töten. Kämpft nicht gegen sie bei der heiligen Moschee, bis sie dort gegen euch kämpfen. Wenn sie gegen euch kämpfen, dann tötet sie. So ist die Vergeltung für die Ungläubigen. 192 Wenn sie aufhören, so ist Gott voller Vergebung und barmherzig. 193 kämpft gegen sie bis es keine Verführung mehr gibt und bis die Religion nur noch Gott
gehört. Wenn sie aufhören, dann darf es keine Übertretung geben, es sei denn gegen die, die Unrecht tun.“ KORAN, Sure 2,190-193)

„Die Vergeltung für die, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und auf der Erde umherreisen, um Unheil zu stiften, soll dies sein, daß sie getötet oder gekreuzigt werden, oder daß ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt werden, oder daß sie aus dem Land verbannt werden. Das ist für sie eine Schande im Diesseits, und im Jenseits ist für sie eine gewaltige Pein bestimmt.“ (KORAN, Sure 5,33)

Mangelnde Gleichberechtigung für Frauen

„Und heiratet nicht polytheistische Frauen, bis sie gläubig geworden sind. Wahrlich, eine gläubige Sklavin ist besser als eine polytheistische Frau, auch wenn sie euch gefallen sollte. Und laßt die Polytheisten nicht zur Heirat zu, bis sie gläubig geworden sind. Wahrlich, ein gläubiger Sklave ist besser als ein Polytheist, auch wenn er euch gefallen sollte.“ (KORAN, Sure 2, 221)

„… Die Männer stehen eine Stufe über ihnen (den Frauen). Und Gott ist mächtig und weise.“ (KORAN, Sure, 2,228)

„Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Gott die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben und bewahren das, was geheimgehalten werden soll, da Gott es geheimhält. Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nichts Weiteres gegen sie an. Gott ist erhaben und groß.“ (KORAN, Sure 4,34)

„Gott trägt euch in bezug auf eure Kinder (folgendes) auf: Einem männlichen Kind steht soviel wie der Anteil von zwei weiblichen zu…“ (KORAN, Sure 4,11)

Der Koran und die textkritische Forschung

Das Aufblühen der Naturwissenschaften, das liberale Denken in Wirtschaft und Politik und die Veränderungen zu einer Industriegesellschaft sind wesentliche Merkmale der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit – der so genannten ersten Moderne – wurden auch in den Geisteswissenschaften und in der Theologie Europas neue Methoden entwickelt, mit denen man seither das Alte und das Neue Testament erforscht. In der ersten Hälfte des 20. Jh. gingen dann zunächst evangelische und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch katholische Theologen daran, die so genannte Entmythologisierung der Bibel zu betreiben. Diese Methode will die heiligen Schriften nicht insgesamt ins Reich der Mythen verweisen, sondern zum ursprünglichen Sinn der göttlichen Offenbarung vordringen, indem sie die mythischen Elemente der Bibel auf das ursprünglich Gemeinte zurückführt.
Es sieht so aus, dass dieser Schritt der Koranforschung noch bevorsteht. Allerdings scheinen die Chancen dafür in den islamischen Ländern zurzeit sehr gering zu sein.
An der holländischen Universität Leiden bemüht sich der Islamwissenschaftler Abu Zayd wenigstens nachzuweisen, dass der Koran immer neu interpretiert werden muss. Morddrohungen blieben auch ihm – wie anderen kritischen Denkern – nicht erspart.
Im Folgenden werden Teile eines Artikels von Nasr Hamid Abu Zayd zitiert, der am 23. Januar 2003 in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ publiziert wurde:

„Spricht Gott nur Arabisch?“

„Als muslimischer Bürger Ägyptens habe ich voller Besorgnis und Angst immer wieder erlebt, wie die Bedeutung des Islam manipuliert wurde. Mein Leben wurde seit den sechziger und siebziger Jahren von verschiedenen Interpretationen des Islam begleitet, die miteinander kaum vereinbar waren. In den sechziger Jahren hob der herrschende religiöse Diskurs hervor, dass der Islam eine Religion der sozialen Gerechtigkeit sei. Die prominenten Gelehrten der Al-Azhar-Universität, der maßgeblichen theologischen Instanz Ägyptens, befassten sich mit zwei großen Themen: Islam und Sozialismus sowie Islam und arabischer Nationalismus. Auch das Konzept des Dschihad wurde propagiert, man drängte uns zum Kampf gegen Imperialismus und Zionismus. Mit der Übernahme einer liberalen Wirtschaftspolitik in den siebziger Jahren wurde der Islam dann zu einer Religion, die das Privateigentum schützte. Mit Beginn des Friedensprozesses zwischen Ägypten und Israel im Jahre 1978 wurde der Islam zu einer Religion des Friedens…

So wurde mir bewusst, dass die Interpretation des Koran niemals ein unschuldiges Unterfangen war. Ich kam zu der Überzeugung, man müsse zunächst den Begriff des Textes selbst untersuchen. Ich wollte das Wesen des zu interpretierenden Textes bestimmen und die Regeln untersuchen, die das Studium anleiteten. Wenn nicht klar ist, bis zu welchem Punkt sich der Text zur Exegese eignet und wo die Grenzen der Interpretation liegen, kann der Text gezwungen werden, jeder Ideologie nach dem Munde zu reden…

Spricht Gott Arabisch? Was bedeutet es, wenn der Koran wiederholt betont, dass er in „einfachem Arabisch“ offenbart worden sei? Folgt man dem Koran, ist der Islam als Botschaft keine neue Religion, die Mohammed offenbart wurde, um sie den Arabern zu predigen, sondern im Wesentlichen dieselbe Botschaft, die alle Propheten seit der Erschaffung der Welt gepredigt haben. Obwohl universell und für alle Menschen gültig, wird die Botschaft des Koran in einfachem Arabisch ausgedrückt, weil Gott die Sprache der Menschen berücksichtigt, zu denen Er Seinen Boten schickt. „Wir schickten keinen Gesandten, es sei denn, in der Sprache seines Volkes, auf dass er sie aufkläre.“

Deswegen ist es nicht wahrscheinlich, dass ausschließlich der Koran das Wort Gottes darstellt und dieses Wort an die arabische Sprache gebunden ist. Folgte man nämlich dieser Annahme, wäre das Wort Gottes auf den Koran allein begrenzt und schlösse damit vorangegangene Schriften von eben jenem Recht aus, das Wort Gottes in ihren eigenen ursprünglichen Sprachen auszudrücken. Das würde automatisch dazu führen, Arabisch für eine heilige Sprache zu halten.

Wir können zwischen den drei Aspekten des Koran unterscheiden: seinem Inhalt, seiner Sprache und seiner Struktur. Es sollte unstrittig sein, dass das Attribut des Göttlichen allein der Quelle des Koran zukommt. Der Koran wurde ursprünglich mündlich überliefert. Überall in der islamischen Literatur wird erklärt, dass der Heilige Geist während jeder einzelnen Offenbarung dem Propheten zunächst Verse vermittelte, die Mohammed dann später seinen Gefährten rezitierte. Diese Verse oder Passagen wurden zu Kapiteln zusammengefügt und teilweise in eine schriftliche Form gefasst, so die islamischen Quellen. Nach dem Tode des Propheten wurden diese Kapitel gesammelt, geordnet und schließlich in Buchform niedergeschrieben.

Indem der Koran Stück für Stück, sozusagen in Raten, offenbart wurde, reagierte er auf die Bedürfnisse und Forderungen der Gemeinde. Da er Antworten auf die Fragen der Gemeinde gab, entwickelte sich langsam der gesetzliche Charakter des Koran und spiegelte auf diese Weise das dialektische Verhältnis von Gottes Wort und den menschlichen Interessen wider. Die Kanonisierung des Koran brachte auch eine neue Anordnung der Verse und Kapitel in ihrer bis heute gebräuchlichen Form, die nicht mehr der chronologischen Ordnung entspricht. Verschiedene Texte, die zu unterschiedlichen historischen Anlässen offenbart worden waren, wurden zu einem einzigen Text zusammengefasst. So wurde der rezitierte Koran in ein lesbares Buch, kitab, umgeformt.

Dennoch ist der ursprüngliche Gehalt des Wortes Gottes in seiner unbegreiflichen Absolutheit – ich meine, bevor es auf Arabisch ausgedrückt wurde – heilig und göttlich, auch wenn sein manifester Ausdruck weder heilig noch göttlich ist. Gleichgültig, ob man der Doktrin der Mutaziliten von der „Erschaffung des Koran“ folgt oder nicht – die Schlussfolgerung ist immer dieselbe: Der Koran, den wir lesen und interpretieren, ist keinesfalls dem ewigen Wort Gottes identisch.

Der Koran ist eine „Botschaft“, die Gott den Menschen durch den Propheten Mohammed offenbart hat. Mohammed ist der Bote Gottes und selbst ein Mensch. Der Koran sagt das ganz klar. Eine Botschaft stellt eine kommunikative Verbindung zwischen einem Sender und einem Empfänger mittels eines Codes her. Da Gott als der Sender des Koran nicht der Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung sein kann, ist die Analyse des kulturhistorischen Kontexts des Koran der einzige Zugang zur Entdeckung der Botschaft.

Die Analyse solcher Fakten kann zu einem wissenschaftlichen Verständnis des Koran führen. Es bedarf keines weiteren Beweises, dass der Koran ein kulturelles Produkt ist.

Die Botschaft des Islam wäre vollkommen folgenlos geblieben, hätten die Menschen, die sie als erste empfingen, sie nicht verstehen können. Sie verstanden den Islam in ihren Lebensumständen, und durch ihr Verständnis und ihre Anwendung des Islam veränderte sich ihre Gesellschaft. Man sollte die Auffassung der ersten Generation von Muslimen und der folgenden Generationen aber keineswegs für endgültig oder absolut halten. Der Text des Koran gestattet einen endlosen Decodierungsprozess. In diesem Prozess sollte die ursprüngliche Bedeutung nicht ignoriert oder vereinfacht werden, weil diese Bedeutung entscheidend dafür ist, die Richtung der weiteren Deutung des Textes aufzuzeigen. Wenn man die Richtung hat, ist es viel leichter, sich auf den Sinn des Textes im heutigen soziokulturellen Kontext hinzubewegen.

Der Koran, der zuvor im Licht seines historischen, kulturellen und sprachlichen Kontextes decodiert worden ist, muss nämlich im Code des kulturellen und sprachlichen Kontextes des Interpreten abermals neu gedeutet werden. Das zieht eine interpretative Vielfalt nach sich, einen endlosen Prozess der Interpretation und Neuinterpretation. Ohne diesen Prozess degeneriert die Botschaft, und dann kann der Koran auch weiterhin das Objekt politischer und pragmatischer Manipulation bleiben.

So paradox es klingen mag: Gerade, wenn die Botschaft des Islam für die gesamte Menschheit unabhängig von Zeit und Ort gültig sein soll, ist eine Vielfalt der Interpretation unvermeidlich. Wenn der Text auch ein historisches Faktum von göttlichem Ursprung ist, so ist seine Interpretation doch absolut menschlich.“ (ABU ZAYD, Januar 2003)

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